G20-Gipfel Hamburg (Teil 3/ Ausschreitungen im Schanzenviertel by Willi Effenberger

Am Abend des 07. Juli, dem zweiten Tag der Gipfelproteste, kam es im Hamburger Schanzenviertel zu schweren Ausschreitungen. Die Taktik der Polizei, mit aller Härte selbst gegen kleinere Ansammlungen von Protestierenden vorzugehen, ging im Schanzenviertel nicht mehr auf. Im Park am Pferdemarkt stürmten behelmte Einsatzhundertschaften mehrfach in die dort friedlich stehenden Menschen während am Eingang zum Schanzenviertel die erste Barrikade gebaut und in Brand gesetzt wurde. Einige Zeit später versuchten mehrere Einsatzhundertschaften über eine Seitenstraße auf das Schulterblatt zu gelangen, wurden jedoch von über hundert Vermummten daran gehindert. Daraufhin wurden weitere Barrikaden in der Seitenstraße errichtet, die Polizei versuchte das Geschehen mit Wasserwerfern und einem Räumpanzer unter Kontrolle zu bekommen, schaffte es jedoch nur, die Ausschreitungen aufs Schulterblatt einzudämmen. Innerhalb kürzester Zeit änderte sich die personelle Zusammensetzung der Menschen auf dem Schulterblatt. Während die Ausschreitungen am Anfang noch von einer organisierten Gruppe auszugehen schienen, waren es schnell angetrunkene Zuschauer, die selbst zu Akteuren wurden. Es wurden mehrere Geschäfte geplündert, weitere Barrikaden errichtet und in Brand gesetzt und die Polizei unternahm über Stunden keinen ernstzunehmenden Versuch mehr, die Situation unter Kontrolle zu bekommen.
Erst gegen zwei Uhr Nachts stürmten schwer bewaffnete Mitglieder des deutschen Sondereinsatzkommandos (SEK) und des österreichischen Sondereinsatzkommandos (Cobra) die Häuser und Dächer am Eingang zum Schulterblatt und die Polizei drang in das Viertel ein.
Eine merkwürdige Beobachtung war, dass während der gesamten Ausschreitungen kein Versuch durch die Einsatzkräfte unternommen wurde, über die Juliusstraße, die Susannenstraße oder aus Richtung der Max-Brauer-Allee auf das Schulterblatt zu gelangen und das, obwohl dort eher Feier - als Aufstandsstimmung herrschte.

 

G20-Gipfel Hamburg (Teil 2/ Color the Red Zone) by Willi Effenberger

Den gesamten Freitag über versuchten Aktivistinnen und Aktivisten in die sogenannte "Rote Zone", also den für Demonstrationen gesperrten Bereich rund um den Gipfel, einzudringen.
Am frühen Morgen liefen von verschiedenen Punkten Demonstrationen los, die alle innerhalb kürzester Zeit von der Polizei gestoppt wurden.
Bei einem "Finger" kam es dabei zu 14 Schwerverletzten, die auf der Flucht vor der Polizei über ein Gerüst kletterten, welches dann unter dem Druck einbrach.
Am Nachmittag begann die sogenannte "Zweite Welle" mit deutlich über 10.000 Menschen, die sich am Millerntor sammelten und dann in diverse Richtungen losmarschierten. Diesmal war der Plan der Gipfelgegner, zur Elbphilharmonie zu gelangen und dort das "Kulturprogramm" des Gipfels zu stören.
Erneut wurden die Demonstrationen gewaltsam aufgehalten und zerschlagen, woraufhin sich tausende Menschen in die Hamburger Innenstadt begaben und die Situation über Stunden völlig chaotisch war. Zu diesem Zeitpunkt schien die Einsatzleitung der Polizei jegliche Kontrolle über die Hamburger Innenstadt verloren zu haben, was wiederum dafür sorgte, dass völlig wahllos und ohne erkennbaren Sinn immer wieder Menschen von Einsatzhundertschaften angegriffen und in eine willkürliche Richtung getrieben wurden.

G20-Gipfel Hamburg (Teil 1/ Welcome to Hell) by Willi Effenberger

Am Donnerstagabend versammelten sich am Hamburger Fischmarkt bis zu 25.000 Menschen, um unter dem Motto "Welcome to Hell" die erste Großdemonstration gegen den diesjährigen G20-Gipfel zu begehen. Die Demonstration wurde von den Polizeikräften jedoch am Loslaufen gehindert, da der vordere Teil der Demonstration geschlossen vermummt auftrat, was einen Verstoß gegen das Versammlungsverbot darstellt. Die Polizei gab zu verstehen, dass die Demonstration erst loslaufen würde, wenn die Vermummung abgelegt wird. Nach kurzen Verhandlungen mit dem Anmelder der Demonstration und der Einsatzleitung der Polizei kam ein Großteil der Demonstranten dieser Aufforderung nach. Dennoch wurde der Demonstrationszug weiter am Loslaufen gehindert und dann unvermittelt und unter Anwendung unverhältnismäßig massiver Gewalt angegriffen und auseinandergetrieben. Es kam zu zahlreichen unschönen Jagdszenen und dutzende Demonstranten wurden, zum Teil schwer, verletzt. Ein Demonstrant schwebte bis Freitagnachmittag in Lebensgefahr.

Die Befreiung Tabqas (Teil2/ Die Tage Vor Dem Sieg) by Willi Effenberger

Am 10. Mai erklärte die SDF-Kommandantin Rojda Felhat die syrische Stadt Tabqa offiziell für befreit. Der Befreiung vorausgegangen war ein wochenlanger Kampf, der mit der Befreiung des Militärflughafens Tabqas am 21. März begann.
Konnten die Truppenverbände aus Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), Volksverteidigungseinheiten (YPG) und den Syrian Democratic Forces (SDF) die überraschten Jihadisten des so genannten Islamischen Staat noch zügig zurückdrängen, wurde der Kampf mit zunehmender Dauer immer zäher. Die Jihadisten hatten sich am Staudamm und in einigen Häuserblöcken verschanzt und ihre Positionen mit Minen umgeben. So wurden Vorstöße zuletzt aufgehalten und Truppenverbände mussten sich zurückziehen, weil das zu erobernde Ziel zu stark vermint war. Nicht zuletzt deshalb nahmen die Luft - und Artillerieangriffe der Koalitionskräfte zuletzt deutlich zu.
Letztendlich kapitulierten die Jihadisten in der Nacht vom 09. auf den 10. Mai und handelten einen geordneten Rückzug für sich und ihre Familien aus.
Nach der Befreiung Tabqas gab die SDF-Führung bekannt, dass nun die vierte Phase der Operation Zorn des Euphrat - also der Angriff auf und die Befreiung von Rakka, der 'Hauptstadt' des IS - weitergeführt werden kann.

----

On 10th of March the SDF-Commander Rojda Felhat declared the Syrian town of Tabqa officially as liberated. Prior to the liberation were weeks of fierce fighting, that began with the conquering of the military-airport of Tabqa on March 21st.
Whilst the troops of Womens Defense Units (YPJ), People's Defense Units (YPG) and the Syrian Democratic Forces (SDF) were able to rapidly push back the surprised jihadists in the beginning of the battle, the fights got a lot tougher over time.
The fighters of the so-called Islamic State (IS, Daesh) entrenched themselves into some apartment buildings and the Euphrates-Dam. Furthermore, Daesh mined many buildings in their territory thus halting several advances of YPG/J and SDF.
That also was one reason for the coalition forces to heavily attack the Daesh-positions by aircraft and with heavy artillery.
In the end Daesh surrendered in the night from 9th to 10th of may but was able to negotiate an orderly retreat for them and their families.
After the liberation of Tabqa the leadership of the SDF said in a statement that now the 4th phase of the operation Wrath of Euphrates – so the attack on and liberation of Rakka, the 'capital' of the IS – will be continued.

 

Die Befreiung Tabqas (Teil 1/ Euphrat-Damm) by Willi Effenberger

Der in der syrischen Stadt Tabqa gelegene Euphrat-Damm wurde nach der Befreiung von Daesh ein erstes Mal von Ingenieuren besichtigt und scheint weitestgehend unversehrt.
Lange Zeit gab es die Befürchtung, die Jihadisten des IS könnten den Damm verminen und womöglich sogar sprengen, was katastrophale Auswirkungen gehabt hätte.

------

The Euphrates-Dam in the Syrian town of Tabqa was after the liberation from Daesh inspected by engineers and seem to be mostly unharmed.
It was a great fear, that the jihadists of the 'Islamic State' might have mined the dam and plan to blow it up, which would have had catastrophic results.

Türkei bombardiert YPG-Pressestelle by Willi Effenberger


Heute Nacht zwischen 2:00 Uhr und 3:30 bombardierten türkische Kampfflugzeuge kurdische Stellungen in Sengal und Karaçok. Bei beiden Luftangriffen wurden gezielt die Pressestellen beschossen. Die Radiostation und Medienschaltzentrale der Jesidischen Widerstandskräfte (YBŞ) in Şengal wurde komplett zerstört. Ebenso traf es die zentrale Pressestelle der kurdischen Volksverteidigungskräfte(YPG) in Karaçok, Rojava.
Bei dem Angriff auf Karaçok starben mindestens 20 Kämpfer und Kämpferinnen der YPG und YPJ sowie drei Journalisten.
Wie viele Verwundete und Verletzte es in Şengal gab, ist bisher unklar.
Fotos: Das zerstörte Medienzentrum und Baracken der YPG in Karaçok.

---
Turkey bombs YPG-Pressoffice
Tonight between 2:00 and 3:30 am Turkish warplanes struck Kurdish positions in Şengal and Karaçok. The air raids targeted specifically the media stations. The radio station and media center of the Ezidi Resistanceforces (YBŞ) in Şengal was completely destroyed. Furthermore, the central of the YPG-Press, the Kurdish Selfdefenceforces fighting the so-called 'Islamic State' in Syria, in Karaçok, Rojava.
During the attack on Karaçok at least 20 fighters of YPG and YPJ as well as 3 journalists lost their lives. The casualties in Şengal are yet unclear.
Pictures: The destroyed media center and the barracks of YPG in Karaçok.

Newroz Pîroz Be! (Teil 2/ Kandil) by Willi Effenberger

Auch in Kandil, dem Kerngebiet der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) feierten am 21. März tausende Menschen das kurdische Neujahresfest.
Trotz strömendem Regen und schwieriger Sicherheitslage - die Angriffe der türkischen AKP-Regierung und des Barzani-Regimes im Nordirak auf die Bewegung nahmen in den letzten Wochen immer mehr zu - folgten sie dem Aufruf der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) in den Bergen gemeinsam unter dem Motto "Wir werden siegen!" zu feiern.
In einer Newroz-Erklärung der Volksverteidigungskräfte (HPG), dem bewaffneten Arm der PKK, heißt eszu Newroz heißt es: “Our people have resisted colonialism with the spirit of Newroz and maintained its belief in free life throughout the history of Kurdistan. Newroz is the name of protecting existence, defending all national and social values, and putting an end to the dangers that surround these values. Therefore, Kurdish people are a people of Newroz and have made their existence, unity and organization in these sacred lands permanent as they recreated themselves in the fire of Newroz.”

Newroz Pîroz Be! (Teil 1/ Machmur) by Willi Effenberger

Rund um den 21. März begingen in allen vier Teilen Kurdistans sowie auch im Exil Millionen Kurden die alljährlichen Newroz-Feierlichkeiten.

Im nordirakischen Machmur, einem Lager kurdischer Flüchtlinge, die in den 90er Jahren vor der eskalierenden Gewalt des türkischen Staates fliehen mussten, wurde am 19. März gefeiert.

Die Schüler Machmurs demonstrierten geschlossen von ihren Schulen zum zentralen Festplatz, wo sie gemeinsam mit tausenden anderen jubelten, als das traditionelle Newroz-Feuer entzündet wurde. In Sprechchören und Reden wurde die Freiheit des, in der Türkei inhaftierten, Gründers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, gefordert.
 

Hunderte begehen Frauenkampftag in Machmur by Willi Effenberger

Zum internationalen Frauenkampftag kamen in Machmur, einer Siedlung kurdischer Geflüchteter aus der Türkei in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, mehrere hundert Menschen zusammen.
In der Ideologie der kurdischen Freiheitsbewegung genießt die Befreiung der Frau einen besonders hohen Stellenwert, dementsprechend selbstbewusst und fröhlich wird der Tag auch von den Bewohnerinnen Machmurs begangen. In traditioneller Kleidung oder Guerillauniformen gingen sie auf die Straße, riefen Parolen wie "Jin, Jiyan, Azadî" (Frau, Leben, Freiheit) und schwenkten Fahnen aus der kurdischen Freiheitsbewegung.
 

Großdemonstration für die Freilassung Abdullah Öcalans in Straßburg by Willi Effenberger

Am Sonnabend, den 11.02. demonstrierten im französischen Straßburg 20.000 Menschen für die Freilassung des Mitbegründers und Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan.
Dieser wurde 1999 vom türkischen Geheimdienst MIT in Zusammenarbeit mit dem israelischen Mossad und der CIA in Kenia entführt und in die Türkei verschleppt. Dort wurde er wegen der Gründung einer bewaffneten Organisation zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde später zu lebenslanger Haft umgewandelt.
Die Demonstranten riefen Parolen wie "Die PKK ist das Volk und das Volk ist hier" oder "Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan" gerufen.
Nach Ende der Demonstration wurden Busse mit abreisenden Demonstranten von türkischen Faschisten mit Steinen und Gerüstkupplungen angegriffen, es gab einige leichte Verletzungen.

Jahresrückblick 2016 by Willi Effenberger

Das Jahr 2016 hatte es in sich. Es war für mich ein Jahr mit vielen Höhen und einigen Tiefen. Ich hatte das Glück viele interessante Menschen kennenzulernen und musste mich leider von einem guten Freund verabschieden.
Die traditionelle Luxemburg-Liebknecht Demonstration war für mich der Start ins Jahr. Bei ihr versammeln sich jeden Januar viele Tausend Menschen, um den beiden ermordeten Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken. Ich begleitete die Situation der Geflüchteten in Berlin und reiste zu Beginn des Jahres nach Istanbul, wo Jugendliche gegen den Krieg in Kurdistan auf die Straße gingen. Zum 1. Mai begann meine längste Reise des Jahres, wieder in Istanbul mit den Demonstrationen um den ersten Mai.
Von dort ging es weiter nach Amed/ Diyarbakir. Die historische Altstadt Sur war einer der Schwerpunkte des Kriegs, den der türkische Staat gegen die KurdInnen führte. Er stand lange unter Ausgangssperren und ist inzwischen fast vollständig zerstört. Zum Zeitpunkt meines Aufenthalts waren die Kampfhandlungen bereits beendet, große Teile des Stadtteils jedoch weiterhin komplett abgesperrt.
Bei Amed besuchte ich ein selbstverwaltetes Flüchtlingslager, das Shingal-Camp. Nachdem der sogenannte "Islamische Staat" im August 2014 auf Shingal marschierte und die Gefahr eines Genozids an den dort lebenden Yeziden bestand, flohen zehntausende von ihnen zunächst ins angrenzende Shingal-Gebirge.
Nur durch den Eingriff der Guerillatruppen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) konnte ein Genozid abgewendet und ein humanitärer Korridor geschaffen werden, über den tausende YezidInnen flohen. Fünftausend von ihnen ließen sich im Shingal-Camp nieder, welches mit Hilfe der kurdischen Freiheitsbewegung aufgebaut wurde und nun selbstverwaltet ist.
Von Amed aus ging es weiter in die Autonome Region Kurdistan im Irak.
Dort konnte ich die Frontstellungen der Peschmerga vor Kirkuk besuchen. Kirkuk ist verantwortlich für ein Fünftel der gesamten Ölproduktion des Iraks, dementsprechend begehrt ist es vom sogenannten "Islamischen Staat". Im Juni 2014 floh die irakische Armee aus der Stadt vor den anrückenden Djihadisten, woraufhin die Peschmerga die Kontrolle übernahmen und die Stadt mithilfe der Anti-Is-Koalition und Kämpfern der PKK gegen den IS verteidigten.
Die Stellungen der PKK konnte ich an einem anderen Tag ebenfalls besuchen und war beeindruckt, wie die Guerillakämpfer selbst in der Ödnis vor Kirkuk, bei 45 Grad im Schatten und weit und breit nur Erde und verbranntes Gras, ihre Basis in eine grüne Oase verwandeltet hatten.
Die Guerillakämpfer agieren vor Kirkuk als eine Spezialeinheit und kommen immer dort zur Hilfe, wo sie am dringendsten benötigt wird.
Die Situation in Kirkuk war für mich paradox. Die Peschmerga, die PKK und die Anti-IS-Koaltion unter der Führung der USA, unterhielten Basen auf einer alten Anlage des Saddam-Regimes, koordinierten ihre Aktionen und arbeiteten zusammen, während der NATO-Partner Türkei 300km weiter nördlich täglich Bombenangriffe gegen die PKK in den Kandil-Bergen fliegt.
Das Medya-Verteidigungsgebiete genannte Gebiet im Kandilgebirge ist so etwas wie das Hauptquartier der Arbeiterpartei Kurdistans. Dort konnte ich mit Guerillakämpfern sprechen, einen Guerillafriedhof besuchen und gemeinsam mit einem Kollegen die Ko-Vorsitzende der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK), Bese Hozat, interviewen. Außerdem sah ich die Ergebnisse der türkischen Bombardements, die nach offiziellen Angaben des türkischen Militärs hunderte Guerilleros getötet haben. In der Realität jedoch treffen die Bomben hauptsächlich die dort lebenden Zivilisten und ihr Vieh. Unser Guide zeigte uns das Dorf Zergelê, dort zerstörte ein Bombenangriff im August drei Häuser und tötete acht Dorfbewohner auf besonders perfide Weise.
Während des ersten Bombardements konnten die meisten Dorfbewohner fliehen, zurück blieb eine alte Frau und wurde verletzt. Als einige Dorfbewohner zurückkamen um die Frau zu retten, drehten die Bomber ebenfalls um und töteten bei einem zweiten Angriff die alte Frau sowie sieben weitere Menschen.
Zurück aus Kandil ging es weiter in das selbstverwaltete Flüchtlingslager Makhmour. Dort leben etwa 12.000 KurdInnen die 1993/94 wegen der Eskalation des Konfliktes in der Türkei geflohen waren und sich im Nordirak niedergelassen hatten. Das Lager ist nach dem Prinzip des Demokratischen Konföderalismus, einem radikaldemokratischen Rätesystem, organisiert.
Nach fast einem Monat in Kurdistan ging mein Weg zurück nach Deutschland und von dort im Juni nach Paris, wo fast eine Million DemonstrantInnen gegen eine geplante Reform des Arbeitsgesetzes demonstrierten und sich stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Mein Sommer war danach ruhig und ich konzentrierte mich für den Rest des Jahres mehr auf mein Studium, weshalb meine letzte Reise schon im September war, abermals nach Paris, abermals wegen einer Demonstration gegen die – inzwischen beschlossene – Arbeitsmarktreform.
Für 2017 habe ich bislang nicht viel geplant. Ich werde höchstwahrscheinlich noch einmal nach Kurdistan reisen und ich werde Anfang Juli in Hamburg die Proteste gegen den G20 Gipfel fotografieren. Bis dahin wünsche ich allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

Zehntausende gegen Arbeitsmarktreform in Paris by Willi Effenberger

Am Donnerstag, den 15.09.2016, gingen erneut mehrere zehntausend Menschen in Paris auf die Straße, um gegen die umstrittene Arbeitsmarktreform zu demonstrieren.
Die Polizei spricht von 13.500 Teilnehmern spricht, die Organisatoren gehen jedoch von 40.000 Teilnehmern aus.
Die 'Nuit Debout' Bewegung organisiert seit mehreren Monaten in ganz Frankreich Proteste gegen die Arbeitsmarktreform, auch gestern gingen in
40 Städten Frankreichs die Menschen auf die Straße.
Während der Demonstration kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.
Es flogen Flaschen, Steine und Molotow-Cocktails, die Polizei machte massiv von Tränengas Gebrauch, es gab diverse Festnahmen.

 -----------English-----------

On Thursday 15th of September again tens of thousands of people took to the streets of Paris
to protest the new controversial labor reform.
Whilst the police says 13.500 people attended the organizers speak of up to 40.000.
The 'Nuit Debout' movement organizes demonstrations and protests against this reform for several month now, the biggest one of them on June 15th 2016, where one million people demonstrated through Paris.
In June the demonstration dissolved into extreme clashes. Also yesterday protesters and the police fought on the streets. The protesters through stones and Molotov cocktails, the police used teargas and pepper spray. Several people where arrested.

 

Tausende bei "Aufstehen gegen Rassismus" by Willi Effenberger

Am Sonnabend den 03.09.2016 demonstrierten mindestens 5000 Menschen unter dem Motto "Aufstehen gegen Rassismus" gegen die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland".
Zu der Demonstration hatte ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und im Zuge des "Blockupy-Wochenendes" auch linken Gruppierungen aufgerufen um vor der gestrigen Landtagswahl in Mecklenburg Vorpommern ein Zeichen gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck zu setzen.

Hunderte bei Blockupy-Protesten in Berlin by Willi Effenberger

Am frühen Morgen des 02.09.2016 versammelten sich am Berliner
Gendarmenmarkt mehrere hundert Aktivisten der 'Blockupy'-Bewegung. Auf
ihrem Weg zum Bundesministerium für Arbeit und Soziales durchbrach die
Demonstration mehrere Polizeisperren, bis sie letztendlich vor dem
Finanzministerium von der Polizei eingekesselt wurden.
Wenig später konnte dort eine Demonstration zum BMAS angemeldet werde, wo sich
die Demonstranten mit einer zweiten Gruppe, die vom Potsdamer Platz
gestartet war, vereinte.

Proteste gegen Arbeitsmarktreform in Frankreich by Willi Effenberger

Am 14.05.2016 gingen in Paris Hunderttausende auf die Straßen um gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen der französischen Regierung zu protestieren, die Gewerkschaften sprechen sogar von über einer Million Demonstranten. Durch die Reformen will der französische Premier Hollande unter anderem den Kündigungsschutz lockern und die Arbeitszeiten anheben. Die Proteste dagegen gewinnen seit Monaten an fahrt und die Gewerkschaften haben angekündigt, den Widerstand gegen die Arbeitsmarktreformen weiter auszuweiten.
Bei der Demonstration am Dienstag lieferten sich militante Autonome heftige Straßenschlachten mit der Polizei und bewarfen diese mit Steinen, Flaschen und Molotowcocktails woraufhin diese mit Tränengas -, Blend - und Lärmgranaten schoss. Neben dem hohen Sachschaden, welcher durch Angriffe auf Geschäfte und Banken entstanden ist, wurden mindestens 40 Menschen verletzt und über 50 festgenommen. Immer wieder konnte bei Festnahmen beobachtet werden, wie Polizisten in zivil den am Boden liegenden Festgenommenen mit Teleskopschlagstöcken auf den Kopf schlugen.
Auch in den Abendstunden kam es weiter zu Protesten, so wurde das Auto einer Sicherheitsfirma in Brand gesetzt und mehrere hundert Autonome zogen erneut durch die Pariser Innenstadt und zerstörten Schaufensterscheiben von Immobilienbüros und Banken.

An der Kirkuk Front mit der PKK by Willi Effenberger

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist zentraler Bestandteil des Kampfes gegen den sogenannten "Islamischen Staat". Nicht nur in Syrien, wo die Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), beides Schwesterorganisationen der PKK, die Hauptlast des Kampfes am Boden tragen. Auch im Irak kämpft die PKK an verschiedenen Fronten mit. Das Flüchtlingslager Makhmour haben die Guerillakämpfer vom "Islamischen Staat" befreit, den Genozid an den Jeziden im Shengal-Gebirge zusammen mit der YPG/YPJ abgewendet und auch vor der Ölstadt Kirkuk sind sie im Einsatz.
Sie haben an vorderster Front eine Basis, auf der sie zusammen leben, lernen und trainieren, denn auch dort geben sie ihren kommunalistischen Lebensstil nicht auf, sondern bleiben ihm treu. Während meinem Besuch kochen zwei Guerilleros Mittag, ein anderer Pflegt die angelegten Beete und eine Fraueneinheit kommt vom Einsatz an der Front zurück. Die "klassische" Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen gibt es bei der PKK nicht, alle sind für alles verantwortlich.
Eingesetzt werden sie an der Kirkuk Front als eine art Spezialeinheit: Immer dort, wo die Kämpfe am heftigsten sind, kommen sie und unterstützen die Peschmerga.

Zu Besuch bei der PKK in den Kandil-Bergen by Willi Effenberger

Fährt man in die Kandil-Berge besticht zunächst eins: die wunderschöne Natur. Aus dem mit Smog und Müll verseuchen Erbil fährt man mehrere Stunden durch wunderschöne Landschaften immer höher in die Berge. Die Berge sind das "Hauptquartier" der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Auf dem Weg passiert man mehrere Checkpoints der kurdischen Autonomieregierung, bis man schließlich zum Checkpoint der Guerilla kommt. Kurz danach müssen Handy und Pass abgegeben werden "alles was auch nur das kleinste Signal senden könnte", erklärt der PKK-Kämpfer, der uns empfängt.
Danach zeigt er den "Sehitlik", einen Märtyrer-Friedhof und es gibt Tee mit, zufällig dazugestoßenen Frauenguerillas. Egal mit wem man spricht, die Menschen sind freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend. Das diese Organisation von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird wirkt absurder denn je.
Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit den Guerillas und Gesprächen über den Flüchtlingsdeal zwischen Angela Merkel und R.T.Erdogan, dem Kampf gegen den sogenannten "Islamischen Staat" und Anekdoten über gefallene Kämpfer geht es zum Interview mit der Co-Vorsitzenden der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK), Bese Hozat.
Gleich zu beginn müssen die aufgestellten Flaggen wieder eingepackt werden, Kampfflugzeuge und Drohnen sind im Anflug und die Farben sind zu auffällig. Seit Sommer 2015 bombardiert die Türkei regelmäßig in Kandil und hat dabei nach eigenen Angaben bereits "hunderte Terroristen" getötet. Die PKK gibt eine andere Zahl: seit letztem Sommer sind drei Guerilla-Kämpfer und acht Zivilisten und viele Nutztiere durch die Bombardierungen gestorben.
Unser 'Guide' zeigt uns die Stelle, an der türkische Bomber die Zivilisten töteten. Früher standen hier mehrere Häuser, jetzt ist kaum etwas übrig, 18 Bomben haben die kleine Siedlung getroffen.
Zum Abschied geht es wieder durch die Checkpoints der Guerilla, die sich bereit erklären, sich bei ihrer Arbeit fotografieren zu lassen. Dann beginnt die lange Rückfahrt, von der klaren Bergluft nach Erbil, der Hauptstadt des Smogs.

Mit den Peshmerga an der Kirkuk-Front by Willi Effenberger

Seit der sogenannte 'Islamische Staat' in den Irak und nach irakisch Kurdistan vordrang, wurde er von den Kämpfern der Peshmerga mit allen Kräften bekämpft. An den Fronten rund um Kirkuk waren die Peshmerga in den letzten Monaten in der Lage, den 'IS' mehr als 10km in die Wüste zurückzudrängen.
Inzwischen ist es ruhig geworden an der Front, erzählen die Kämpfer. Nur hin und wieder kommen Teams von IS-Selbstmordattentätern und versuchen die Reihen der Peshmerga zu erreichen. In den meisten Fällen werden sie in dem mindestens 500m weiten Niemandsland zwischen den beiden Frontlinien gestoppt.
 

Selbstverwaltung im Flüchtlingslager by Willi Effenberger

Das Shingal-Camp in der Nähe der kurdischen Stadt Diyarbakir leben ungefähr 1500 jezidische Flüchtlinge. Sie sind im Sommer 2014 vor dem Vormarsch des 'IS' auf Shingal geflohen und leben nun in den kurdischen Gebieten der Türkei.
Das Gelände des Camps wurde von der kurdischen Befreiungsbewegung 'beschlagnahmt' und Aktivisten der Bewegung Helfen den Bewohnern auch bei der Verwaltung.
Das Camp hat eine Apotheke, ärztliche Behandlungszimmer, zwei Sportplätze, die vorher schon da waren und mit 'beschlagnahmt' wurden.
Im Camp leben auch 18 Lehrer, die jedoch momentan nicht unterrichten können, da die Schule vor kurzem abgebrannt gibt.
Offiziell anerkannt sind das Lager und die darin lebenden Flüchtlinge nicht, woraus vor allem bei der ärztlichen Versorgung enorme Probleme entstehen: für kleinere Probleme reichen die Behandlungszimmer im Camp, für schwerere Krankheiten oder Operationen müssten die Menschen in ein Krankenhaus. Da sie komplett unversichert sind, sind sie in diesen Fällen auf die Hilfe solidarischer Ärzte angewiesen.
Trotzdem sind die Bewohner mit dem Camp zufrieden, viele sagen sogar es ist schön da. Dennoch wollen die meisten in der Zukunft, trotz dem Wissen über die gefährliche Reise, nach Europa aufbrechen. Zu tief sitzt das Trauma, zu groß ist die Angst vor erneuten Massakern.

Humanitäre Hilfe im Bürgerkrieg by Willi Effenberger

Die Aktivisten der Rojava Association leisten großes. Sie leisten in freiwilliger Arbeit, was der türkische Staat sich weigert zu tun: Sie versorgen die Flüchtlinge des Bürgerkriegs im Südosten der Türkei/ Bakur Kurdistan mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung.
Nach ihren Angaben wurden mindestens 350.000 Menschen durch die, seit Monaten andauernden, Ausgangssperren und Militäroperationen in Städten wie Cizre, Sirnak, Nusaybin oder Sur, der historischen Altstadt Diyarbakirs, geflohen. Der Staat hilft ihnen nicht und behindert, nach Aussagen von Aktivisten, immer wieder die Arbeit der Helfer. Sie werden verhaftet und die Hilfsgüter werden beschlagnahmt. Abhalten lassen sie sich davon nicht. Jeden Tag aufs neue sitzen Freiwillige in einer Lagerhalle im Sümer-Park Diyarbakirs und rationieren Bohnen, Nudeln, Zucker und Reis in Tüten um diese dann in den betroffenen Gegenden zu verteilen.